Rezension: The High Republic: Defy the Storm von Justina Ireland & Tessa Gratton

Mit Defy the Storm vom Autor*innenduo Justina Ireland und Tessa Gratton startet heute die Young-Adult-Romantrilogie aus Phase III von Star Wars: The High Republic bei Disney-Lucasfilm Press in den USA. Darin begibt sich eine bunte Truppe aus Figuren wie Vernestra Rwoh, Avon Starros, Deva Lompop und Jordanna Sparkburn gemeinsam mit dem enfant terrible der Graf-Familie, Xylan, auf die Suche nach vermissten Verbündeten auf der anderen Seite des Sturmwalls. Ob und wieso der Roman sich lohnt, egal ob ihr ihn jetzt auf Englisch oder (voraussichtlich) im Mai bei Panini auf Deutsch kauft, verrate ich euch in dieser Rezension.

Defy the Storm ist im Grunde Out of the Shadows 2.0, denn gemeinsam mit Tessa Gratton hat Justina Ireland ihren gesamten Cast aus jenem Roman zurückgeholt, wie euch eingangs bei meiner Aufzählung vielleicht bereits aufgefallen ist. Manche der Figuren, wie Imri Cantaros oder Sylvestri Yarrow, bekommen allerdings nur kleinere, sekundäre oder gar tertiäre Rollen, während der eigentliche Fokus der Point-of-View-Kapitel auf folgenden Figuren liegt: Avon Starros (undercover als „Sunvale“), Vernestra Rwoh, Jordanna Sparkburn und Xylan Graf. Die gelungensten Charakterisierungen erleben wir hier bei Avon und Xylan, die auch die Figuren mit der größten „Handlungsmacht“ sind und den Plot mit ihren teils fragwürdigen Entscheidungen vorantreiben. Vernestra hingegen ist häufig der „Spielball“ von Avons Plänen, was zum Teil auch Schade ist, aber durch die humor- und gefühlvoll nuanciert inszenierte Schwesternbeziehung, die Vern und Avon teilen, wieder wettgemacht wird.

Der größte Gewinner in puncto Charakterisierungen ist allerdings Xylan Graf, besonders im Zwischenspiel mit Avon und Jordanna, aber auch bei diversen Solo-Eskapaden im Laufe der Handlung. War er in Out of the Shadows noch der skrupellose Widerling aus der Graf-Familie, der Syl oft zu nahe trat, mausert er sich hier widerwillig zu einem Sympathieträger mit nachvollziehbaren Motiven und einer starken Entwicklung, die mich als Leser zum Mitfierbern anregte. So wird er vom „I can fix him!“-Charakter, als den manche im Fandom ihn betrachtet haben, langsam aber sicher zu einer „Maybe I’ll fix myself!“-Figur, und das macht zumindest mir viel mehr Spaß als die erstere Option, die wir in den Erwachsenenromanen von Phase II bereits zur Genüge hatten. Figuren, die sich selbst gegen ihre eigene dunkle Seite behaupten wollen (ob nun erfolgreich oder nicht), üben zumindest auf mich eine gewisse Faszination aus, da sie mir mehr Grund zum Mitfiebern geben als widerwärtige Schönlinge, die keinen inneren Antrieb zur Besserung beweisen und diese von außen aufgezwungen bekommen.

In den Riegen der Nebencharaktere befinden sich weitere unerwartete Highlights. Deva Lompop, bekannt aus Justina Irelands Beitrag zu den Krieg der Kopfgeldjäger-Comics sowie aus The High Republic: Mission to Disaster, wandelt sich hier sehr schnell von der gefräßigen Piratin, die gerne vernunftbegabte Widersacher verschlingt, zu einer Mutterfigur für Avon, die verständlicherweise von ihrer leiblichen Mutter enttäuscht ist. Das ist eine Dynamik, die im Sana Starros-Comic bereits angedeutet wurde, die ich bisher aber nicht so ganz nachvollziehen konnte. Deva und Avon sind ein auf sehr dysfunktionale Weise doch wieder funktionales Duo – Deva hilft Avon beim Überleben inmitten der Nihil, während Avon ihr neben Dankbarkeit auch den ein oder anderen Snack beschert… Weniger makaber ist indes die herzerwärmende Rolle, die die neue Figur des Cair San Tekka in dieser Geschichte einnimmt, aber jedes weitere Wort wäre hier ein Spoiler, also dürft ihr euch an dieser Stelle selbst ein Bild machen.

Wie ihr merkt, habe ich bereits drei Absätze zu Figurenkonstellationen geschrieben und noch keinen zur Handlung an sich, und das ist nicht von ungefähr, denn sie wirkt rückblickend etwas dünn – wenngleich nicht irrelevant oder unlogisch – und ist in diesem Buch weitaus weniger wichtig als die Entwicklung der Figuren. Im Endeffekt eint alle Protagonisten, dass sie etwas suchen, was sich hinter der Sturmmauer befindet: Vernestra sucht Imri, Avon sucht die Zerstörung der Lightning-Crash-Station, die die Sturmmauer steuert, Jordanna sucht ihren Bruder, Deva will Avon am Leben halten und Xylan… nun, auch hier wäre ein Spoiler. Unglück führt zu seltsamen Bettgenossen, und dieses Buch ist der Beweis für jene Weisheit. Die Handlung zerfasert deswegen auch nach Eintritt in den Nihil-Raum in verschiedene Richtungen, und hier sind manche Stränge eindeutig stärker als andere. Während Verns Suche nach Imri durchaus emotionale Höhepunkte für Fans beider Figuren bereithält, wird sie mir etwas zu schnell abgehandelt, und sie verblasst neben Avons Fehde gegen Doktor Mkampa an Bord der Lightning Crash, Jordannas Familiendrama und Xylans Privatleben.

Vieles hier klingt nach Justinas Werk, Tessas Beitrag ist aber dennoch spürbar. Nicht zuletzt, weil ein gewisses Schiff aus Phase II seine Rückkehr feiert, aber vor allem wegen einer Szene am Ende des Buchs, die für mich den Anschein hat, dass sich ihr perspektivisches Gegenstück in Temptation of the Force befindet – dem nächsten Roman aus der Hohen Republik, der im Juni erscheint und von Tessa geschrieben wurde. Auch die von mir gepriesene Entwicklung von Xylan Graf als komplexe Point-of-view-Figur geht StarWars.com zufolge klar auf Grattons Konto. Die beiden Autor*innen harmonieren jedenfalls so sehr, dass – ähnlich wie bei Path of Deceit – kein Stilbruch zwischen den Kapiteln erkennbar ist.

Neben den unterhaltsamen Charakterdynamiken der Protagonist*innen bietet Defy the Storm aber auch Metakommentare auf Figuren aus den Erwachsenenromanen, und so bekommen zum Beispiel Ghirra Starros, General Viess, Marchion Ro, Avar Kriss und auch Elzar Mann allesamt ihr Fett weg und man darf als Kenner beider Medien schmunzeln, wenn Avon, Vern und Co. ihre Meinungen zu diesen Persönlichkeiten kundtun. Eine weitere Stärke des Romans sind die intimen Einblicke in das Leben hinter der Sturmmauer und wie es die „normalsterblichen“ Bürger jener Welten betrifft. Dies kam in The Eye of Darkness von George Mann zwar bereits kurz zur Sprache, aber durch Jordannas Familie, Cair San Tekka und den Planeten Seswenna erhalten wir hier weitaus mehr Worldbuilding dazu, wodurch das Leben im Nihil-Raum für mich als Leser emotional greifbarer wurde als in Eye.

Defy the Storm ist insgesamt ein sehr gut geschriebener Charakterroman, dessen Roadtrip durch den Nihil-Raum letztlich seiner Figurenriege immer wieder den Spiegel vorhält und somit in deren Innerstes vordringt. Auch wenn die Handlung insgesamt nicht so relevant für das Gesamtprojekt scheint, wie man anhand der Inhaltsangabe denken sollte, gibt es dennoch Entwicklungen von größerer Tragweite, insbesondere hinsichtlich Vernestras Hyperraum-Visionen, einer mysteriösen Seuche oder der angedeuteten Schnittstelle mit Temptation of the Force. Im Endeffekt habe ich mich beim Lesen so gefühlt, als würde ich einer leicht dysfunktionalen, aber im Großen und Ganzen immer noch zusammenhaltenden Familie auf ein großes Abenteuer folgen, was eine wunderbare Form des Eskapismus ist und auch die Stärken des World- und Character-Buildings der Ära der Hohen Republik voll ausspielt. Für alle, die neben Action vor allem auch die intimeren Momente zu schätzen wissen, ergeht eine absolute Leseempfehlung!

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Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, das hunderte Jahre vor den Skywalker-Filmen spielt und die Jedi in ihrer Blütezeit zeigt. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I, Phase II und Phase III.

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