Rezension: The Fallen Star von Claudia Gray enttäuscht die Erwartungen

Morgen ist es genau ein Jahr her, dass die ersten Werke des Projekts The High Republic erschienen. Und zur Feier dieses Tages werden wir mit dem dritten Erwachsenenroman beschenkt, welcher heute offiziell in den Handel kommt, auch wenn einige Glückliche ihn sich schon vor Weihnachten sichern konnten. In The Fallen Star übernimmt nun, nach Charles Soule und Cavan Scott, Claudia Gray das Ruder. Dank Del Rey UK konnte ich den Roman, welcher die erste Phase von The High Republic abschließt, schon frühzeitig lesen und kann euch daher heute die Frage beantworten: Schafft es The Fallen Star, in die großen Fußstapfen seiner Vorgänger Light of the Jedi und The Rising Storm zu treten?

Worum geht es nun in The Fallen Star? – Nachdem die Nihil unter Marchion Ro bereits die Hyperraumkatastrophe ausgelöst und den Republic Fair dem Erdboden gleichgemacht haben, soll im nächsten Schritt nun das Symbol der Republik und der Jedi daran glauben: Starlight Beacon selbst soll zerstört werden. Dazu sendet Marchion Ro drei Nihil-Techniker aus, die sich an Bord der Station schleichen und dort wichtige Systeme wie die Kommunikation und die Rettungskapseln manipulieren und dann eine Explosion verursachen sollen. Währenddessen spüren die Jedi auf Starlight Beacon immer wieder mysteriöse Erschütterungen in der Macht, ihr Zugriff auf die Macht scheint zu schwinden, ein unerklärliches Angstgefühl überkommt sie immer wieder und sie sind auf einmal nervöser und streitlustiger als sonst. Können die Jedi in diesem Zustand den Nihil-Angriff verhindern? Und was verbirgt sich hinter den mysteriösen Erschütterungen in der Macht?

Die Figuren: spannende Konflikte und verschwendetes Potential

Der Roman lebt vor allem von seinen Figuren, die in spannenden inneren Konflikten stecken. Allen voran Stellan Gios, welcher hier abermals im Mittelpunkt steht. Er hat nach Avar Kriss‘ Alleingang auf der Suche nach Lourna Dee die Position des Marshals der Station übernommen und ihm macht der reduzierte Zugriff auf die Macht besonders zu schaffen. Als jemand, der sich immer über den Jedi-Orden definiert hat, geht ihm auf einmal seine Identität verloren und er fragt sich, wer er überhaupt ist. Seinem Freund Elzar Mann macht derweil noch immer sein Ausflug auf die dunkle Seite in The Rising Storm zu schaffen. Gemeinsam mit Wayseekerin Orla Jareni als Wiedereingliederungshelferin tastet er sich langsam wieder an die Macht heran. Der schwer gebeutelte Padawan Bell Zettifar, welcher den vorigen Roman damit zugebracht hat, um seinen ehemaligen Meister Loden Greatstorm zu trauern, macht sich nun Vorwürfe, sich zu schnell mit dessen Tod abgefunden zu haben. Hätte Loden noch gerettet werden können, wenn Bell seinem Gefühl vertraut und sich auf die Suche nach seinem Meister gemacht hätte? – Glücklicherweise hat Bell mittlerweile in dem Wookiee Burryaga einen neuen besten Freund gefunden, welcher ihn auch in der Krise unterstützt.

All diese Figuren und ihre Konflikte stellt Claudia Gray gekonnt dar, wobei vor allem Stellan Gios hervorsticht. Ihn lernen wir hier richtig gut kennen und fiebern von Anfang bis Ende mit ihm mit. Bei Elzar und Bell ist es leider so, dass nur wenige neue Entwicklungen stattfinden und stattdessen die meiste Zeit die bereits in den vorigen Romanen thematisierten Konflikte wiederholt werden. Hier profitiert Gray stark von der Vorarbeit ihrer Mitautor*innen. Ich hätte mir aber auch ein wenig mehr neue Ideen erwartet.

Weniger spannend fand ich die Nebenfiguren. Die Crew der Vessel bekommt leider – bis auf einige lustige Szenen – recht wenig Gelegenheit, ihr ganzes Potential zu zeigen. Mit Abstand am langweiligsten empfand ich die Szenen mit Chancey Yarrow und Nan, die zuerst auf der Station gefangen sind und später ausbrechen. Die beiden leisten eigentlich kaum einen Beitrag zur Handlung und sind nur dazu da, um am Ende einen bestimmten Twist herbeizuführen. Darüber hinaus ist mir Chancey aus Out of the Shadows als wesentlich komplexere Figur in Erinnerung. In The Fallen Star ist sie fast die ganze Zeit damit beschäftigt, über ihre Tochter Syl und ihren Tochterersatz Nan nachzudenken. Ein ähnliches Problem hat auch Senatorin Ghirra Starros, die sehr platt dargestellt wird, obwohl sie uns in vergangenen Romanen als facettenreiche Figur präsentiert wurde. Selbst der Antagonist Marchion Ro verhält sich seltsam und meiner Meinung nach nicht ganz passend, indem er sich auf einmal komplett von seinen Truppen abschottet. Insgesamt verschwendet Claudia Gray also vor allem bei den Nebenfiguren einiges an Potential.

Starlight Beacon nicht zum Leben erweckt

Während der Roman bei der Figurendarstellung durchaus seine Stärken hat, versagt er leider auf ganzer Linie dabei, uns Starlight Beacon als eine bevölkerte und lebendige Station zu präsentieren. Aus anderen Werken wissen wir ja, dass sich nicht nur Jedi dort aufhalten, sondern dass der Beacon auch Anlaufpunkt für Händler*innen, Siedler*innen und andere Zivilist*innen ist. In The Fallen Star wirkt es leider oft so, als wäre eine Handvoll Jedi beinahe allein auf der Station und müsste die Notsituation komplett im Alleingang regeln. Wenn sie sich durch die Station bewegen, scheinen sie fast immer durch leere Gänge zu laufen. Nicht nur einmal habe ich mich im Verlauf der Handlung gefragt: Wo ist eigentlich Velko Jahen, die Nicht-Jedi-Administratorin der Station? Wo sind die Techniker*innen, Handwerker*innen, Ingenieur*innen, die für die Republik arbeiten und die Station am Laufen halten? Wieso zeigt niemand von denen Eigeninitiative? Wieso denkt kein Jedi daran, diese Leute in die Rettungsaktion mit einzubeziehen? Hat sich eigentlich keiner mal die Mühe gemacht, einen Notfallprotokoll für den Katastrophenfall zu schreiben? Hat Starlight Beacon nicht vielleicht auch so etwas wie eine Feuerwehr oder ein THW? Was tun all diese Leute, während Starlight Beacon in Gefahr ist? Anscheinend nichts. Zumindest informiert uns Claudia Gray nicht darüber und das raubt dem ganzen Roman viel von seiner Glaubwürdigkeit. Ich hatte nie das Gefühl, dass wirklich alles Menschenmögliche getan wird, um Starlight zu retten, weil eben viel zu wenige Figuren in die Rettungsbemühungen eingebunden sind, als dass es glaubwürdig wäre.

Die einzigen anderen Figuren, die wir neben den Jedi zu sehen bekommen, sind Zivilist*innen, die im Hangar auf ihre Rettung warten. Deren Perspektive erleben wir vor allem aus Sicht der Crew der Vessel und von Joss und Pikka Adren, welche immer sehr ruhig und gelassen angesichts der Krise bleiben. Ihnen gegenüber steht ein zwielichtiger alter Bekannter von Leox, welcher auf Ärger und seinen Profit aus ist und für Probleme sorgt. Dieser ist aber der Einzige weit und breit, der sich angesichts einer lebensgefährlichen Situation irrational verhält. Die restliche Masse von Wesen scheint einfach stumm und zufrieden abzuwarten, ob sie denn gerettet werden oder sterben, und zu tun, was man ihnen sagt. Auch hier fehlt mir die Dynamik auf einer Station mit so vielen Personen mit so vielen Eigeninteressen. Wieso kommt es nicht zu einer Massenpanik? Wieso rennen die Zivilist*innen nicht kreuz und quer durch die Station auf der Suche nach Rettung und schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein? – Die verängstigte, verzweifelte und teils irrationale Reaktion der Bevölkerungsmassen, die Light of the Jedi mit der Hyperraumkatastrophe und The Rising Storm mit dem Republic Fair so gut einfangen, fehlt hier beinahe komplett.

The Fallen Star (Out of Print Exclusive Edition)
The Fallen Star (Out of Print Exclusive Edition)

Kammerspiel ohne die Stärken des Genres

Doch nicht nur auf Starlight Beacon fehlen die Perspektiven wichtiger Personengruppen. Auch von außerhalb der Station bekommen wir kaum etwas mit, was hauptsächlich mit den ausgefallenen Kommunikationssystemen begründet wird. Dies führt dazu, dass sich der ganze Handlungskosmos des Romans auf die Station selbst verengt. Im Gegensatz zu Light of the Jedi, wo wir ein wirklich umfassendes Bild der Galaxis bekommen, wirkt The Fallen Star eher wie ein Kammerspiel. Für mich zeigt die Geschichte sogar Elemente eines Young-Adult-Romans, der den Fokus auf recht wenige Figuren legt, die auf sich allein gestellt sind und keine Hilfe von außen bekommen (ähnlich wie in Grays erstem The High Republic-Roman Into the Dark, in dem einige wenige Figuren auf einer verlassenen Station sind). Das an sich ist nichts Schlechtes und könnte eine Stärke sein. Bei einem Kammerspiel dringen wir dafür ja oft sehr tief in die Psyche der Hauptfiguren vor und leiden mit ihnen. Allerdings wird den inneren Konflikten der Figuren in The Fallen Star nicht annähernd genügend Platz eingeräumt, als dass diese ihre volle Wirkung entfalten könnten. Dazu trägt auch eine strukturelle Eigenheit des Romans bei: Es finden ständig Perspektivwechsel statt. Statt ein gesamtes Kapitel mit einer Figur zu verbringen, springen wir oft schon nach einer oder zwei Seiten zu einer komplett anderen Situation. Das hemmt für meinen Geschmack den Lesefluss und verhindert oft, dass man genügend Zeit hat, sich in die Figuren einzufühlen. Für einen guten Erwachsenenroman bietet The Fallen Star also zu wenig multiperspektivischen Überblick über die Galaxis, für ein gutes YA-artiges Kammerspiel fehlt der konstante Fokus auf das emotionale Innenleben weniger Figuren.

Dumme Entscheidungen

In meiner Rezension zu Into the Dark hatte ich ja schon kritisiert, dass Claudia Gray es nicht so recht schafft, Horror zu schreiben, bei dem es einen auch richtig gruselt. Mit den mysteriösen Erschütterungen in der Macht bzw. dem Schwinden der Macht und seinen Konsequenzen gibt es in The Fallen Star erneut ein solches Horror-Element und leider muss ich wieder sagen, dass bei mir nicht die richtige Grusel-Stimmung aufkam. Das liegt auch zum Teil daran, dass die Figuren wieder extrem dumme Entscheidungen treffen. Erneut teilt man sich in gefährlichen Situationen auf und gerät so absehbar in Lebensgefahr. Warnungen der Macht werden ignoriert. Statt ihnen nachzugehen, werden andere, viel unwichtigere Aufgaben priorisiert. Dass vor allem die Jedi so unkluge Entscheidungen treffen, begründet der Roman mit eben diesem schwindenden Zugriff auf die Macht und ihrer daraus resultierenden Verwirrung. Dadurch macht es sich Claudia Gray aber etwas zu leicht. Als Leserin komme ich mir verschaukelt vor, wenn wichtige Handlungsentwicklungen aus dummen Entscheidungen eigentlich kluger Figuren resultieren und ich dafür nur eine halbgare Erklärung erhalte, die eher wie eine bequeme Ausrede wirkt.

Fazit

Insgesamt fällt Claudia Grays The Fallen Star doch ziemlich stark gegenüber Charles Soules Light of the Jedi und Cavan Scotts The Rising Storm ab. Zwar macht es immer noch Spaß, diesen Roman zu lesen und zu verfolgen, welches Schicksal Starlight Beacon und den uns ans Herz gewachsenen Figuren blüht. Allerdings profitiert Gray hier stark von den Vorgängerwerken, die dafür den Grundstein gelegt haben. The Fallen Star überzeugt dennoch bei einigen Figuren mit starker Charakterarbeit. Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Starlight Beacon massiv an Leben fehlt und das Verhalten der Figuren an einigen Stellen schwer nachvollziehbar ist. Insgesamt bin ich doch recht enttäuscht von dem Roman, da Claudia Gray eigentlich meine Lieblingsautorin im Star Wars-Universum ist und ich mir nach dem schon mittelprächtigen Into the Dark nun endlich einen Knaller-Roman in The High Republic von ihr erwartet hätte. Stattdessen stellt sich Gray leider mehr und mehr als schwächstes Glied in der Riege der The High Republic-Autor*innen heraus. Schweren Herzens vergebe ich für The Fallen Star gerade noch so drei Holocrons.

Der Rezensent vergibt 3 von 5 Holocrons!
Bewertung: 3 von 5 Holocrons

Wir danken Penguin Random House UK und dem Del Rey-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

The Fallen Star in der britischen Ausgabe von Del Rey könnt ihr euch auf Amazon¹ bestellen. Ein Erscheinungstermin für die deutschsprachige Ausgabe wurde noch nicht angekündigt.

Was ist eure Meinung zu The Fallen Star?

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Star Wars: Die Hohe Republik ist ein mehrjähriges Buch- und Comicprogramm, das hunderte Jahre vor den Skywalker-Filmen spielt und die Jedi in ihrer Blütezeit zeigt. Weitere Infos, News, Podcasts und Rezensionen gibt es in unserem Portal und in der Datenbank. Beachtet auch unsere Guides zur Lesereihenfolge von Phase I, Phase II und Phase III.

2 Kommentare

  1. Ich habe The Fallen Star gestern zu Ende gelesen und kann mich deiner Kritik durchgehend anschließen. Meine größte Kritik aber wäre, dass ich mit dem Gefühl zurückgelassen werde auf weitere Quellen angewiesen zu sein um die ganze Geschichte zu erhalten. Ich hoffen, dass mich der Jugend- und der YA-Roman, sowie die beiden Comics noch mit weiteren Informationen versorgen werden, was die Schicksale verschiedener Figuren angeht.

    1. Ja, das ist definitiv ein weiterer Kritikpunkt. Ich bin auch sehr gespannt auf das Finale des Comics. „Trail of Shadows“ hat ja auch noch mehr Handlung auf Starlight geliefert als erwartet.

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