Rezension: From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back

Vor circa drei Jahren, im Herbst 2017, hat uns ein ganz besonderes Buch sehr positiv überrascht: Star Wars: From a Certain Point of View. Anlässlich des 40. Jubiläums des originalen Star Wars-Films taten sich hier 43 Autorinnen und Autoren zusammen und lieferten 40 Kurzgeschichten, die uns die Geschichte von Eine neue Hoffnung „von einem gewissen Standpunkt aus“ zeigen. In den Kurzgeschichten treten meist eher weniger beachtete Nebenfiguren ins Rampenlicht und wir erleben, wie die altbekannte Geschichte beispielsweise aus Sicht von Admiral Motti oder des Monsters aus der Müllpresse ablief. Ein spannendes Konzept, das den Autorinnen und Autoren viel Raum für Kreativität ließ und uns Fans ein sehr abwechslungsreiches Leseerlebnis bescherte.

Nun, drei Jahre später, geht die Reihe weiter, da dieses Jahr Das Imperium schlägt zurück seinen vierzigsten Geburtstag feiert. In From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back, welches am 12. November bei Del Rey erscheint, wird uns nun auch dieser Film aus einer neuen Perspektive gezeigt. Das Konzept bleibt dasselbe, nur die Zusammensetzung der Autorinnen und Autoren hat sich etwas verändert. Wer sich eine genaue Auflistung aller 40 Beteiligten und ihrer Geschichten ansehen will, kann das in unserer Übersicht tun.

Auch From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back steckt wieder voller kreativer Ideen und bunter Vielfalt: So kommen beispielsweise General Veers oder Admiral Piett auf imperialer Seite und Dak Raltar und Toryn Farr an der Ionenkanone auf der Seite der Rebellen zu Wort. Aber auch unbekannte und bisher namenlose Soldaten, Pilotinnen, Ingenieure, Journalistinnen und Laufburschen auf beiden Seiten werden in den Mittelpunkt gestellt. Natürlich kommen auch die Geschichten über die Kopfgeldjäger und über Kreaturen wie das Wampa, die Weltraumschnecke oder ein Tauntaun nicht zu kurz. Selbst auf den ersten Blick seltsam anmutende Perspektiven wie die der Höhle auf Dagobah oder die von L3 im Computer des Falken dürfen in einer solchen Sammlung nicht fehlen. Da ich natürlich nicht jede Geschichte einzeln betrachten kann, habe ich mir meine fünf Top-Geschichten herausgepickt, die ich euch im Folgenden vorstellen möchte:

Meine Highlights

„A Good Kiss“ von C. B. Lee

Story #4: „A Good Kiss“ von C. B. Lee (Chase, ein Rebell)

Obwohl ich meine Lieblingsgeschichten chronologisch abarbeite, ist die erste gleichzeitig auch mit Abstand die in meinen Augen beste. Wir nehmen hier die Perspektive des Rebellen Chase Wilsorr ein, der in der Echo-Basis auf Hoth die Aufgabe hat, diverse Dinge – oft Kaffee und Essen für die Vorgesetzten – von A nach B zu transportieren. Im Film sehen wir ihn, wie er sich mit einer Kiste zwischen Han und Leia durchdrängt, die gerade in ein Streitgespräch verwickelt sind. Chase fühlt sich minderwertig, da er gerne eine verantwortungsvollere Aufgabe übernehmen würde, aber aufgrund seiner mangelnden Fähigkeiten auf diesen Gebieten immer wieder abgelehnt wird. Auch in der Liebe ist er wenig erfolgreich und kann nur davon träumen, so offensiv vor aller Augen zu flirten wie Han und Leia. Doch es kommt der Tag, an dem auch eine vermeintlich unwichtige Person wie Chase einen wichtigen Beitrag zum Überleben der Rebellion leisten kann…

Diese Geschichte hat einfach alles, was eine gute From a Certain Point of View-Geschichte braucht: Sie nimmt einen Statisten aus dem Film, der vielleicht zwei Sekunden zu sehen ist, und gibt ihm eine ausgearbeitete Hintergrundgeschichte, die sich wunderbar in die Situation der Rebellen auf Hoth einpasst. Der mit sich selbst und seinem Leben unzufriedene Chase, der aber trotzdem nie aufgibt, ist eine so herzerwärmend sympathisch geschriebene Figur, dass man ihn einfach mögen muss und bis zum Ende mit ihm mitfiebert, ob er und seine große Liebe wohl noch zusammenfinden.

„Rendezvous Point“ von Jason Fry

Story #15: „Rendezvous Point“ von Jason Fry (Wedge Antilles)

Wedge Antilles, Derek „Hobbie“ Klivian und Wes Janson sind zurück! Als Liebeserklärung an die alten X-Wing-Romane wurde diese Geschichte angekündigt und genau das ist sie auch. Während die Flotte der Rebellion am titelgebenden Treffpunkt wartet, stören Piraten ihre Versorgungslinien. Hier kommt Wedge Antilles ins Spiel, der den Auftrag bekommt, eine neue Staffel zusammenzustellen und anzuführen. Doch da es nicht genügend erfahrene Piloten gibt, müssen diese in Windeseile erst einmal ausgebildet werden, bevor man sich gemeinsam auf die Mission begibt…

Die Handlung an sich ist vielleicht nicht die spektakulärste, aber hier werden wirklich Erinnerungen an die X-Wing-Bücher wach. Alle, die das alte EU vermissen, sollten diese Geschichte auf jeden Fall lesen, denn sie nimmt genau den locker-lustigen Erzählstil der Pilotenromane wieder auf. Die Sticheleien zwischen den Piloten, die sich auch gegenseitig mal einen Streich spielen, sind einfach kultig und haben mich immer wieder zum Schmunzeln gebracht. Als Sahnehäubchen hat obendrein auch noch eine von Claudia Gray kreierte Figur einen Gastauftritt.

„Amara Kel’s Rules for TIE Pilot Survival (Probably)“ von Django Wexler

Story #17: „Amara Kel’s Rules for TIE Pilot Survival (Probably)“ von Django Wexler (Amara Kel, TIE-Pilotin)

Amara Kel ist TIE-Pilotin und sie weiß, dass sie einen gefährlichen Job hat und ihr Leben für das Imperium als Ganzes recht wenig wert ist. Dementsprechend zynisch blickt sie auf ihren Arbeitsalltag und gibt Tipps, wie man diesen überlebt – vielleicht, wie sie gleich einschränkend hinzufügt. Während sie und ihre Staffel am Rande des Asteroidenfeldes patrouillieren und nach dem Millennium Falken Ausschau halten, lässt sie uns an ihren Erfahrungen als TIE-Pilotin und ihren Tipps teilhaben. Erste Regel ist dabei, niemals emotionale Bindungen einzugehen, da jeder der Staffelkameraden jederzeit sterben könnte – eine Regel, die sie selbst regelmäßig bricht, wie wir im weiteren Verlauf erfahren. Denn Amara hat eine Beziehung oder zumindest Affäre mit einer Staffelkameradin am Laufen. Die Nicht-Einhaltung von Amaras Regeln bringt die Staffel dann auch prompt in die Bredouille, als sie mit X-Wings der Rebellen und der Weltraumschnecke konfrontiert werden…

Amaras zynische, flapsige Art zu erzählen macht einfach unglaublich viel Spaß beim Lesen. Man kann sich gut vorstellen, dass genau so eine Einstellung nötig ist, um sein Leben als TIE-Pilotin regelmäßig aufs Spiel zu setzen und dabei nicht durchzudrehen. Interessant ist auch Amaras ambivalente Haltung zu ihrem TIE: einerseits neidet sie den Rebellen ihre besser geschützten und ausgestatteten Jäger, andererseits liebt sie aber auch ihren TIE und die traumhaften Flugeigenschaften, die er aufgrund seiner Leichtigkeit mitbringt. Insgesamt leistet die Geschichte einen wirklich spannenden Perspektivwechsel, der uns zeigt, wie es ist, eine entbehrliche TIE-Pilotin zu sein.

„Standard Imperial Procedure“ von Sarwat Chadda

Story #26: „Standard Imperial Procedure“ von Sarwat Chadda (Ashon, ein imperialer Ingenieur)

Carl Ashon arbeitet in der Müllentsorgungsabteilung auf einem imperialen Sternzerstörer. Wahrlich kein Traumjob – vor allem, da Ashon früher einmal Chef der Ingenieursabteilung gewesen ist, dann aber degradiert wurde, wobei er auch seine hohen Pensionsansprüche verloren hat. Nun ist er verbittert und schaut voller Neid auf andere Offiziere und voller Verachtung auf seine Kollegen bei der Müllentsorgung. Innerlich hat er längst gekündigt und seine Loyalität zum Imperium ist Geschichte. Doch da bietet sich Ashon die Gelegenheit, seine magere Pension aufzubessern: Er entdeckt den Millennium Falken und nimmt Kontakt zu Boba Fett auf…

Im Gegensatz zu den meisten anderen Geschichten haben wir es hier interessanterweise mit einem gebrochenen Protagonisten zu tun. Ashon kann einem wirklich leidtun. Gleichzeitig sind auch seine Motive, dem Imperium gegenüber nicht mehr loyal zu bleiben, sehr nachvollziehbar, wenn auch rein egoistisch und nicht idealistisch motiviert. Genau das macht die Figur so lebensnah und echt. Am Ende hat mich diese tragische Geschichte wirklich berührt. Für mich der traurigste Teil des gesamten Buchs!

Story #27 „There Is Always Another“ von Mackenzi Lee (Obi-Wan Kenobi)

„There Is Always Another“ von Mackenzi Lee

Natürlich darf bei meinen Lieblingsgeschichten auch Obi-Wan nicht fehlen! Gerade weil er in Das Imperium schlägt zurück nur einen Gastauftritt als Geist hat, eignet er sich besonders gut für eine Kurzgeschichte in dieser Sammlung. Wir erfahren darin Obi-Wans Gedanken bei dem Gespräch mit Luke und Yoda auf Dagobah. Diese Gedanken schweifen dabei immer wieder zu Anakin zurück, da Obi-Wan nicht umhin kann, Lukes voreiliges Verhalten mit dem seines ehemaligen Padawans zu vergleichen. Anakin scheint Obi-Wan auch nach seinem Tod nicht loszulassen und das Schicksal der Skywalkers ist nach wie vor untrennbar mit seinem verknüpft…

Die Geschichte punktet vor allem dadurch, dass sie Obi-Wans Stimme so perfekt einfängt. Man kann den ganzen Text im Kopf wunderbar in der Stimme von wahlweise Alec Guinness oder Ewan McGregor lesen. Auch seinen typischen trockenen Humor scheint Obi-Wan selbst nach seinem Tod nicht verloren zu haben. Obwohl die Geschichte lustige Passagen hat, ist sie andererseits auch traurig, wenn Obi-Wan darüber nachdenkt, dass er vielleicht doch mehr für Anakin hätte tun können, sich mehr auf seine Seite schlagen, wenn der Rat gegen ihn war. Mit dieser bittersüßen Mischung trifft Mackenzi Lee die Stimme des toten Obi-Wan genau, was diese Geschichte zu meiner Nummer zwei in dieser Sammlung macht.

Interessant ist bei dieser Geschichte außerdem noch, dass Obi-Wan darin Bezug auf Figuren aus den Legends, nämlich Siri Tachi und Tru Veld, nimmt. Sollte From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back also Kanon sein (was fraglich ist), dann wären diese Figuren aus Obi-Wans jungen Jahren wieder offiziell Teil der Geschichte.

Allgemeine Anmerkungen

Natürlich sind die fünf von mir ausgewählten Geschichten nicht die einzigen guten in diesem Buch. Ich hätte noch so viele weitere gerne thematisiert, zum Beispiel „A Naturalist on Hoth“ von Hank Green über einen Naturforscher, der auf Hoth für die Rebellen arbeitet, „Heroes of the Rebellion“ von Amy Ratcliffe über eine Journalistin, die auf der Suche nach Heldengeschichten über die Rebellion ist oder „Right-Hand Man“ von Lydia Kang über den medizinischen Droiden, der Luke seine neue Hand anoperiert. All diese Geschichten und noch viele weitere sind großartige Unterhaltung und regen zum Nachdenken an, beispielsweise über die Definition von Heldentum oder über die Umweltzerstörung durch die Rebellen auf Hoth. Wie auch schon beim Vorgängerband Star Wars: From a Certain Point of View ist es die Mischung von unterschiedlichsten Figuren und Schreibstilen, die den Reiz des Konzepts dieses Buches ausmacht.

Im Vergleich zu Star Wars: From a Certain Point of View haben es die Autorinnen und Autoren dieses Mal geschafft, sich mehr untereinander abzustimmen und Verknüpfungen zwischen einzelnen den Geschichten zu schaffen. Vor allem in der Hoth-Sequenz merkt man das, wenn einige Figuren oder Orte in mehreren Geschichten auftauchen. Außerdem zieht sich hier auch ein Motiv durch eine Vielzahl von Geschichten: Zahlreiche Rebellen beobachten mit Interesse, wie Han und Leia auffällige Annäherungsversuche machen, tratschen darüber und schließen Wetten ab, ob die beiden zusammenkommen oder nicht. Das ist definitiv ein Pluspunkt gegenüber dem Vorgängerband, der vor allem der Hoth-Sequenz nochmal ein gewisses Extra gibt. Aber auch die Geschichten über die Kopfgeldjäger zeigen Verbindungen miteinander und schaffen so beim Lesen immer wieder ein Aha-Erlebnis.

From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back hat im Gegensatz zu Star Wars: From a Certain Point of View leider aber auch einen größeren Schwachpunkt. In der Sammlung zu Episode V fällt nämlich vor allem die Sequenz in der Wolkenstadt durch fast durchweg schwächere Geschichten auf, wodurch dieser Teil des Buches doch recht zäh zu lesen ist. Deshalb konnte ich aus diesem Bereich auch gar keine Lieblingsgeschichte benennen. Dass die Cloud-City-Geschichten recht wenig Interesse bei mir wecken konnten, liegt zum einen an den uninteressanteren Figuren (oft einfach irgendwelche Wolkenstadt-Bewohner) und zum anderen daran, dass sich hier teilweise für meinen Geschmack zu weit vom Film entfernt wurde. Beispielsweise bekommen wir die Geschichte eines wohl psychisch kranken Mannes, der sich für den „König von Cloud City“ hält. Für mich hat das nur noch wenig mit dem From a Certain Point of View-Konzept zu tun, das ja eigentlich Nebenfiguren und deren Blick auf die Haupthandlung in den Mittelpunkt stellen sollte. Auch die Geschichte rund um den „Ich bin dein Vater“-Moment, bei der eine abtrünnige Sturmtrupplerin den Kampf zwischen Luke und Vader beobachtet, wirkt an den Haaren herbeigezogen, schlecht durchdacht und eröffnet nicht wirklich eine neue Perspektive auf das Geschehen. Selbst die Geschichte über den Eismaschinen-Träger Willrow Hood konnte meinen Erwartungen nicht gerecht werden, da sie enttäuschenderweise nicht einmal die Frage aller Fragen beantwortet: Was befindet sich im Camtono?

Letztendlich bietet From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back, wie schon sein Vorgänger einen bunten Mix an verschiedenen, interessanten Perspektivwechseln – dieses Mal sogar mit noch mehr Verknüpfungen zwischen den Geschichten. Schwächer fällt lediglich die Sequenz auf Cloud City aus, die sich dadurch gefühlt ziemlich hinzieht. Aus diesem Grund ziehe ich ein Holocron ab. Aufgrund der vielen Highlights und kreativen Ideen sollte sich jeder, der den Film einmal aus einem anderen Blickwinkel sehen will, dieses Buch jedoch auf keinen Fall entgehen lassen. Es erwartet euch ein großer Lesespaß!

Bewertung: 4 von 5 Holocrons
Bewertung: 4 von 5 Holocrons

Wir danken Penguin Random House UK und dem Del Rey-Verlag recht herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

From a Certain Point of View: The Empire Strikes Back in der britischen Ausgabe von Del Rey könnt ihr euch auf Amazon¹ bestellen. Auf Deutsch wird das Buch aller Voraussicht nach nicht erscheinen, da auch schon der Vorgänger unübersetzt blieb.

Ab heute Nachmittag um 15 Uhr könnt ihr übrigens auch unsere Meinung zu der Kurzgeschichtensammlung in der neusten Ausgabe des JediCast anhören.

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3 Kommentare

  1. Hat ein bisschen gedauert aber inzwischen habe ich das Werk auch ausgelesen. Kann deine Rezension so nur unterschreiben, habe fie exakt selben Geschichten auf meiner Top-Liste.

    Zusätzlich fand ich die Bossk-Story noch recht gut, hat meiner Meinung nach interessante Fakten beigetragen und den Charakter selber interessanter gemacht.

    1. Lustig! Auch ich habe die Bossk- Geschichte in meinem erweiterten Favoritenkreis! Hätte ich noch ein paar mehr Geschichten aufgezählt, wäre die dabei gewesen, weil sie so viele interessante Infos zur Kultur der Spezies hat. Die Geschichte hat mich sehr positiv überrascht, da ich normalerweise kein Fan von Kopfgeldjägern bin und diese Geschichte also gar nicht auf dem Zettel für potentielle Favoriten hatte.

  2. Jetzt, wo ich die 40 Geschichten durch habe, kann ich sagen, dass das Buch in meinen Augen ein würdiger Nachfolger des ersten Teils ist. Auch wenn es knapp 80 Seiten mehr hat, fande ich kurzweiliger im Vergleich zum ersten Teil. (Stichwort Cantina). Gut in dem Wolkenstadtteil gab es schon einige schwächere Geschichte, insbesondere die von der Sturmtrupplerin, allerdings konnte ich anderen Geschichten, wie der von dem „König“ oder den Ugnauths schon mehr abgewinnen. Da kann man aber schon diskutieren, wie weit man das Konzept fassen solllte

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