Rezension: Lando: Doppelt oder Nichts von Rodney Barnes & Paolo Villanelli

Was hat Lando eigentlich gemacht, bevor wir ihn in Solo in der Cantina auf Vandor kartenspielend antreffen? – Diese Frage beantwortet uns der Comic Lando: Doppelt oder Nichts, der diese Woche als Sonderband bei Panini erschienen ist. Rodney Barnes ist Autor des Comics, der im Original in fünf Einzelheften unter den Titel Lando: Double or Nothing bei Marvel erschien. Die Zeichnungen stammen von Paolo Villanelli und wurden von Andres Mossa koloriert. Für die deutsche Übersetzung war Justin Aardvark verantwortlich. Das Cover der regulären Softcover-Ausgabe, die ihr für 15€ bei Amazon¹ bestellen könnt, gestaltete W. Scott Fobres. Daneben ist wie immer auch eine auf 333 Exemplare limitierte Hardcover-Ausgabe im Comic-Fachhandel und im Panini-Shop erhältlich. Diese kostet 29 € und ist mit einem alternativen Cover ausgestattet, das ebenfalls W. Scott Forbes illustriert hat. Beide Cover seht ihr unten abgebildet.

Die Handlung von Lando: Doppelt oder Nichts spielt direkt vor Solo: A Star Wars Story und schließt mit dem letzten Bild quasi direkt an den Film an. Zu Beginn des Comics träumt Lando Calrissian von einer Neuausstattung des Falken als Casino und bekommt außerdem Probleme, da er jemandem noch Geld schuldet. Sowohl für die Rückzahlung der Schulden als auch für die Erfüllung seines Casino-Traums fehlen Lando aber die Credits. In dieser Situation trifft er auf Kristiss, eine junge petrusianische Frau, die ihn als Schmuggler anheuern will. Ihr Vater und ihr gesamtes Volk sind vom Imperium versklavt worden und müssen nun in einer Droiden-Reparaturanlage eines imperialen Außenpostens auf dem Planeten Kullgroon schuften. Kristiss will sie mit Waffen versorgen, sodass sie sich befreien können. Lando soll mit seinen besonderen Fähigkeiten als Schmuggler dafür sorgen, dass sie unentdeckt auf den Planeten kommen. Lando willigt in den Auftrag ein und zieht gemeinsam mit L3 und Kristiss in den Befreiungskampf…

Der Comic lebt komplett von Landos Charme, seinem übertriebenem Selbstbewusstsein und den Schlagabtauschen mit mit seiner Partnerin L3-37. Lando bringt einen selbstverliebt-ironisch Spruch nach dem nächsten, was wirklich amüsant sein kann. Beim Lesen von Aussagen wie „Kann ich mich nicht mal kurz selbst beweihräuchern?“ musste ich immer wieder schmunzeln und fühlte mich gut unterhalten. Allerdings führt die ununterbrochene Sprücheklopferei auch dazu, dass der Comic sich nie ernst zu nehmen scheint. Selbst in lebensgefährlichen Situationen hat der Lando, den uns Doppelt oder Nichts präsentiert, immer noch einen lockeren Spruch auf den Lippen, sodass man als Leser nie das Gefühl hat, dass er ernsthaft in Schwierigkeiten ist und man sich Sorgen um ihn machen müsste. Mit der Zeit nutzen sich die Sprüche auch ab. Wenn man den ganzen Sonderband am Stück liest, ist es fast ein wenig ermüdend. Lando durchbricht dabei auch stellenweise beinahe die vierte Wand, indem er sein Handeln immer wieder quasi „aus dem Off“ für die imaginären Adressaten seiner „Calrissian-Chroniken“ kommentiert und manchmal auch direkt den Leser anschaut. Insofern zieht sich durch den ganzen Comic ein Augenzwinkern und eine sehr zugespitzte Art des Erzählens, die einerseits erfrischend wirkt, aber auf die Dauer vielleicht etwas zu viel des Guten ist.

L3-37 als Landos Gegenpart passt sehr gut zu dem witzig-ironischen Ansatz des Comics. Sie gibt Lando immer wieder Kontra, setzt seinem übertriebenen Selbstbewusstsein einen realistischeren Blick entgegen, leidet aber auch ihrerseits unter Anwandlungen von Selbstüberschätzung. Wahrscheinlich kann man nur so an der Seite von Lando überleben, indem man es ihm mit gleicher Münze heimzahlt. Auch ihr Einsatz für Droidenrechte wird im Comic immer wieder thematisiert.

Gegen dieses eingespielte Team von Lando und L3 kann die neue Figur Kristiss leider kaum etwas dagegensetzen. Zu Beginn wirken ihre Vorstellung und ihre Hintergrundgeschichte erst einmal interessant und sie hat auch eine erfolgreiche Art, mit Lando zu verhandeln. Aber im Laufe des Comics gerät sie immer weiter in Vergessenheit, vor allem, als Lando, L3 und Kristiss sich an einer Stelle aufteilen. Ab da ist der Comic dann fast nur noch eine reine Lando-Selbstdarstellungs-Show. So bleibt die Figur Kristiss blass und zu wenig ausgearbeitet. Hier wäre eindeutig mehr Potential vorhanden gewesen. Aber ein zu tiefes Eindringen in die ernste und traurige Hintergrundgeschichte ihres Volkes hätte wohl den komödiantischen Ansatz des Comics zunichte gemacht.

Was die Handlung angeht, leidet die Geschichte leider unter einem typischen Comic-Phänomen: Wenn die eigentliche Geschichte nicht genügend Stoff hergibt, wird sie in der Mitte mit zusätzlichen Gegnern und Monstern gestreckt. So trifft Lando auf Kullgroon ganz zufällig auf noch mehr Leute, die er in der Vergangenheit verärgert hat, muss in einer Art Arena kämpfen – in der Star Wars-Galaxie scheint es wohl üblich zu sein, dass jeder Gangster, der etwas auf sich hält, eine riesige private Gladiatorenarena betreibt – und muss außerdem gegen eine Art Riesenechse und seltsame Spinnentiere, die sich immer wieder neu zusammensetzen, bestehen. All dies ist meiner Meinung nach unnötiges Füllmaterial, das mit der eigentlichen Haupthandlung nichts zu tun hat. Diesen Platz hätte man lieber dafür nutzen können, um uns Kristiss, ihren Vater und die versklavte Bevölkerung besser vorzustellen, uns ihre Vergangenheit, ihr Leiden und ihre Vorbereitung auf die Befreiungsaktion zu zeigen.

Die Zeichnungen unterstützen den Ansatz, Lando radikal ins Zentrum zu rücken. Durch das knallige Gelb seines Hemdes rückt er in beinahe jedem Panel in den Fokus und zieht unsere Aufmerksamkeit auf sich. Lando ist dabei gut als seine jüngere, von Donald Glover gespielte Version erkennbar und seine coolen und charmanten Gesichtsausdrücke sind gut getroffen. In Zeichnungen, in denen Lando schreit und sein Mund weit geöffnet ist, wirkt sein Gesicht aber oft seltsam ausdruckslos und man weiß nicht so recht, welche Emotion hier dargestellt werden soll: Wut? Angst? Überraschung? Panik? Die auftretenden Aliens wirken teilweise ein wenig weichgezeichnet und dadurch weniger „echt“. Ansonsten sind die Zeichnungen aber schön anzusehen.

Die Übersetzung von Justin Aarvark ist im Großen und Ganzen auch gelungen, auch wenn mir einige etwas holperige Stellen aufgefallen sind. So sagt Lando etwa einmal „Der Auftrag ist zu taff“ und an einer anderen Stelle „Bis dahin, bleib entzückend, Baby“. Beiden Stellen merkt man zu deutlich an, dass sie aus dem Englischen übertragen wurden.

Insgesamt kommt es bei Lando: Doppelt oder Nichts sehr auf den individuellen Geschmack und auch auf die Laune des Lesers oder der Leserin an. Hat man Bock auf eine lockerleichte Story mit witzig-ironischer Sprücherklopferei? Dann ist der Comic genau das Richtige. Will man lieber eine Geschichte lesen, die sich selbst ernst nimmt? Dann sollte man besser zu einem anderen Werk greifen. Im Großen und Ganzen hatte ich mit dem Comic viel Spaß, konnte aber auch nicht umhin, einige Mängel bzw. Verbesserungspotential im Handlungsaufbau, der Figurendarstellungen und den Zeichnungen zu bemerken. Insgesamt liegt der Comic für mich daher im Bereich zwischen drei und vier Holocrons. Da er aber sicher nicht zur Riege der „Sollte man gelesen haben“-Werke zählt, runde ich auf drei Holocrons ab.

Der Rezensent vergibt 3 von 5 Holocrons!
Bewertung: 3 von 5 Holocrons

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Wir danken Panini für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares!

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