Rezension: The Art of Rogue One: A Star Wars Story von Josh Kushins

Hinweis: Diese Rezension enthält mittelschwere Filmspoiler!

The Art of Rogue One: A Star Wars Story (16.12.2016)
The Art of Rogue One: A Star Wars Story (16.12.2016)

Zu jedem Star Wars-Film und sogar zu manchen Videospielen und Fernsehserien gab es bisher ein Buch, das Kunstwerke aus der Konzeptphase präsentierte. Rogue One: A Star Wars Story bildet da keine Ausnahme. Josh Kushins hat diesmal für ABRAMS Books das Konzeptbuch zum Film zusammengestellt und kommentiert, für welches Regisseur Gareth Edwards sowie die Produktionsdesigner Doug Chiang und Neil Lamont jeweils Vorworte lieferten. Die amerikansiche Ausgabe erscheint heute bei ABRAMS, während deutsche Leser sich noch bis zum 24. April gedulden müssen, denn dann bringt Panini die deutsche Ausgabe heraus. Sie kann bereits auf Amazon¹ vorbestellt werden.

Aufbau

Wer den Kunstband zu Das Erwachen der Macht besitzt, weiß, dass dessen Inhalt nach Produktionsphasen aufgegliedert war – Vorproduktion, Dreharbeiten, Nachproduktion. Es war tatsächlich ein kleines Making Of in Ermangelung des inzwischen endgültig gecancelten Making of The Force Awakens-Buchs. Für The Art of Rogue One hat man allerdings einen ganz anderen Aufbau gewählt. Nach den Vorworten und einem kleinen Who’s Who der Beteiligten an der Produktion, die im Buch Erwähnung finden, gibt es rund 15 Seiten zur Vorproduktion – so weit, so gut. Es wird mit etwas mehr Detail erklärt, wie ILM-Legende John Knoll sich die ursprüngliche Filmhandlung ausgedacht hat und wie diese sich in der „Blue Sky“-Konzeptphase (reines Brainstorming ohne Drehbuch) entwickelte. Man erfährt, welche Charaktere aus dem finalen Film bereits bei Knoll existierten und welche erst durch Whitta, Weitz und Gilroy geschaffen wurden. Interessant fand ich, dass anfangs mehr Aliens im Team sein sollten und dass Cassian als imperialer Undercover-Spion namens Krennic konzipiert wurde, bevor die Namen und Charakterzüge die Besitzer wechselten. Hier werden Leser von MakingStarWars.net-Berichten auch wieder einige verworfene Konzepte, über die Jason Ward berichtet hat, bestätigt sehen.

Danach folgt das Buch allerdings einem anderen Aufbau als The Art of Star Wars: Das Erwachen der Macht. Statt nach Produktionsphasen wird das Buch nach Planeten und Schauplätzen gegliedert, und zwar in der Reihenfolge, in der Jyn Erso sie im Film besucht: Lah’mu, Yavin 4, Jedha, Eadu, Mustafar (okay, hier schaut Jyn nicht vorbei, aber die Krennic/Vader-Szene spielt dort) und Scarif. Konzepte wie das Apartment der Ersos auf Coruscant werden bei Jedha mit eingestreut, als die Heldin Jyn etwas näher beleuchtet wird. Die Planeten-Gliederung hat mehrere Vor- und Nachteile. Einerseits kann man so schön der Handlung des Films folgen und man sieht, welche Elemente eventuell ganz anders ausgesehen hätten. Zudem folgt man dabei gut Gareth Edwards‘ Vision, der die Farbpaletten der Planeten, die Jyn besucht, von Dunkel nach Hell entwickeln wollte, um ihr inneres Wachstum dadurch wiederzugeben. Andererseits verliert man dabei ein bisschen das Zeitgefühl, das man beim Buch zu Episode VII stets hatte – man wusste teilweise bis auf den Monat genau, zu welchem Zeitpunkt ein gewisses Kunstwerk in der Produktion entstanden ist. Welche Vorgehensweise letztendlich besser ist vermag ich nicht zu sagen. Für einen Kunstband ist vermutlich bei Rogue One die bessere Methode gewählt worden, aber dabei geht ein bisschen der Making of-Aspekt verloren, den es bei Das Erwachen der Macht noch gab.

Von einem gewissen Standpunkt aus…

„Luke, auch du wirst noch entdecken, dass viele Wahrheiten, an die wir uns klammern, von unserem persönlichen Standpunkt abhängig sind.“ – Obi-Wan Kenobi

Ich persönlich war ja von Rogue One ziemlich begeistert – siehe dazu meine Filmkritik. Gerade visuell hat der Film einiges geleistet. Konzeptbücher zeigen einem auch eindrucksvoll, wie all das zustande gekommen ist, aber leider sorgen sie oft auch dafür, dass man sich denkt: „Ach Mensch, warum hat es das nicht in den fertigen Film geschafft!“ Gerade bei Das Erwachen der Macht – einem Film, den ich auch gut fand, aber dessen Mangel an Originalität mich doch regelmäßig nervt – ging es mir so. Der Art of-Band zu Episode VII zeigte auf fast jeder Seite Konzepte, die so viel mutiger, schöner und innovativer waren, als das, was es letztendlich auf die Leinwand schaffte. Das Kunstbuch relativierte bei Episode VII also maßgeblich meine Meinung vom fertigen Film.

Dieser Effekt tritt bei Rogue One zum Glück nicht so stark ein. Klar gibt es immer wieder mal ein Konzept, bei dem man sich denkt: „Schade… das wäre was gewesen!“ Allerdings haben Disney und Lucasfilm sich bei Rogue One ja von vornherein mehr visuellen Spielraum gelassen, sodass auch viele der coolsten Konzepte in den Film kamen. Das Buch liefert einige Variationen der heiligen Stadt von Jedha, eine cooler als die andere, aber die Filmversion ist dennoch einfach perfekt. Auch der U-Wing durchlief einige Versionen – von den 6.000 Konzeptzeichnungen, die insgesamt für den Film produziert wurden, waren 500 für dieses Schiff – doch auch hier kam eine der besten Versionen in den fertigen Film. Nur ein oder zwei andere Konzepte hätte ich mir an dieser Stelle noch auf der Leinwand vorstellen können.

Standpunktsverändernd ist an diesem Buch allerdings, wie man das Gefühl vermittelt bekommt, dass der Film ziemlich lange Zeit über einen recht flüssigen, nicht klar definierten Handlungsverlauf hatte. Sicher, die Eckpunkte standen fest, aber gerade bei den Charakteren war noch einiges an Spielraum. Dadurch verstehe ich jetzt auch einige der Schwächen des Films besser. Ich muss aber sagen, dass mir diese Schwächen beim zweiten Mal schauen gar nicht mehr so sehr aufgefallen sind; das lag mitunter wohl auch daran, dass der Film neu und ungewohnt war.

Im Übrigen gibt es auch ein paar „Lost Missions“ im Buch, d.h. geschnittene Szenen, die dennoch ausführlich beschrieben werden, z.B. eine Sequenz namens „Close Encounters on Eadu“, die auf einem irgendwie grusligen, aber wirklich so geschehenen Versuch von Gareth Edwards und Zeichner Matt Allsopp basiert, die Area 51 zu besuchen. Irgendein Spaßvogel hat ihn dann mit einem unheimlichen Lasergitter verfolgt – und Gareth machte daraus direkt eine Verfolgungsjagd-Szene. Anekdoten wie diese machen das Buch lesenswert.

Text vs. Bild

Mein persönlicher Eindruck ist, dass in The Art of Rogue One: A Star Wars Story merklich weniger Text zum Einsatz kommt als noch im Vorgängerband zu Das Erwachen der Macht. Ich würde nicht sagen, dass es zu wenig Text ist – nur an ein oder zwei Stellen hätte man einzelne Konzepte gerne noch genauer kommentieren können – aber es fällt dennoch auf. Das hat allerdings einen sehr positiven Nebeneffekt, denn so haben Kushins und seine Redaktion es geschafft, noch mehr Bilder unterzubringen, sodass das Buch wahrlich seinem Titel gerecht wird. Es ist schließlich ein Kunstband und als solcher sollte er auch den Fokus aufs Visuelle legen. Es gibt auch mehrere doppelseitige Illustrationen, die man wunderbar auf sich wirken lassen kann. Insofern müssen Ungeduldige nicht mal zwingend auf die deutsche Ausgabe warten; wem es wirklich nur um die Kunst geht und Englisch zumindest halbwegs versteht, dem sollte die US-Ausgabe genügen.

Der Text, der vorhanden ist, ist allerdings klar formuliert und wird durch Zitate der Produzenten, Schauspieler, Zeichner und des Regisseurs wunderbar ergänzt und erweitert. Besonders für Doug Chiang empfinde ich immer mehr Respekt – auch wenn ich ihn schon seit den Prequels schlichtweg genial fand. Lucasfilm und ILM hat mit ihm definitiv einen Meister seiner Kunst gefunden. Der Text erklärt sehr genau, wie Gareth Edwards‘ einzigartige Methode in der Konzeptphase aussah, welche Überlegungen einzelnen Entwürfen zugrunde lagen und wie der Einfluss von McQuarrie sich indirekt auf den Film auswirkte. Prequel-Fans wie ich werden auch das Kapitel über Mustafar lieben, das schön erklärt, wie der Planet aus der Konzeptphase zu Episode V über seinen tatsächlichen Auftritt in Episode III letztendlich in Rogue One verwirklicht wurde. Auch Vaders Schloss erfährt dabei viel Aufmerksamkeit, gleichermaßen durch erklärenden Text wie durch fantastische Illustrationen. Insbesondere die von Christian Alzmann möchte ich dabei hervorheben.

Missing in Action

Am Anfang des Films sieht man in mehreren kurzen Szenen ja Orte wie eine Stadt in einem Asteroidenfeld oder ein imperiales Arbeitslager. Diese Orte kommen im Buch leider zu kurz. Auch die actiongeladene Darth-Vader-Szene am Ende sowie die atemberaubende CGI-Version Tarkins, die bestimmt auch eine illustrative Konzeptphase hatte (zumindest Storyboards oder „Concept Boards“ seiner Szenen hätten ja existieren müssen), fehlen leider komplett. Unerwartet viel Aufmerksamkeit wird dafür dem tentakelbewehrten Bor Gullet geschenkt – für Doctor Who-Fans, die sich im Kino gedacht haben „Hm, der könnte aus Doctor Who stammen!“ liefert dieses Kapitel aber immerhin eine gewisse Bestätigung.

Fazit

The Art of Rogue One: A Star Wars Story ist ein wunderbarer Kunstband, der viele Facetten aus der Produktion zeigt und anhand dessen man auch schön die Entstehung des Films nachvollziehen kann, allerdings mit Abstrichen bei der genauen Datierung gewisser Überlegungen. In dieser Hinsicht war mir der Band zu Episode VII lieber, da man eben genau sah, wann die Filmemacher und Konzeptzeichner sich mit welchen Themen, Szenen und Figuren beschäftigten. Das Buch folgt dennoch einem logischen Aufbau, der die Form dem Inhalt unterordnet, und präsentiert ungeahnte Einblicke in die Entstehung des ersten Star Wars Story-Films. Alles in allem ein solides Werk, das 4 von 5 Holocrons verdient, aber noch mit Luft nach oben. Ein Making of ersetzt es definitiv nicht und ich wünsche mir, dass man das Konzept für das Kunstbuch zu Episode VIII vom Aufbau her einen Mittelweg zwischen dem zu Episode VII und dem zu Rogue One einschlagen lässt.

Was meint ihr zu diesem Buch? Ich bin gespannt auf eure Meinungen!

2 Kommentare

  1. Schöne Kritik, aber ein `Art of…´Buch ist eben ein ´Art of…´ Buch und KEIN ´Making of…´ – dass ist für mich aber kein Manko! Vielmehr ist – natürlich – der visuelle Schaffensprozess (genau um diesen Aspekt geht es ja im Art Buch) zwar ein großer und wichtiger Teil des Filmschaffens, das heisst aber doch noch lange nicht, dass die komplette Produktion dokumentiert wird! Denn dafür(!) und nur dafür 😉 gibt es ja – manchmal – auch ein Making Of Buch !

    1. Nun ja, was ich damit meine, ist, dass man bei Episode VII einen genaueren Einblick in den Kontext bekommen hat, in dem die Konzeptzeichnungen entstanden sind. Es war kein Making Of, aber es half, die Produktionstimeline nachzuvollziehen und den Entstehungsprozess der Ideen, Bilder und somit auch des fertigen Films genauer zu verstehen. Das geschieht hier eher nicht.

      Der Unterschied zwischen Art Of und Making Of ist mir durchaus bekannt. 😀

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